Intrum European Consumer Payment Report 2021: Deutschen geht es finanziell besser als EU-Nachbarn
Aber Corona hat die wirtschaftliche und soziale Spaltung vertieft / Steigende Inflation führt zu Zahlungsproblemen / Umfrage unter 24.000 Menschen in 24 europäischen Staaten.
Den deutschen Verbrauchern geht es in der Corona-Krise in finanzieller Hinsicht besser als ihren europäischen Nachbarn. Zugleich aber hat Corona die soziale und wirtschaftliche Spaltung in Deutschland vertieft. Das ergab eine Umfrage im Auftrag des Kredit- und Forderungsmanagers Intrum, die in 24 europäischen Staaten im Sommer 2021 durchgeführt wurde. Mangelnder Überblick über die eigene Verschuldung sowie die steigende Inflation werden nach Einschätzung von Intrum zu Zahlungsproblemen führen.
„Im europäischen Vergleich zeigt der ECPR, dass die Deutschen die Covid-Krise bislang wirtschaftlich besser verkraftet haben“, sagt Marc Knothe, CEO bei Intrum Deutschland und Österreich. „Zudem schätzen die Deutschen ihre eigenen wirtschaftlichen Möglichkeiten, vor allem im Hinblick auf Beschäftigung, besser ein, als die Befragten in anderen europäischen Staaten.“ Dies sei möglicherweise der Grund dafür, dass die Deutschen im europäischen Vergleich ein geringeres Interesse an langfristigen finanziellen Überlegungen zeigten, so Knothe weiter.
Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der deutschen Verbraucher gaben an, dass ihnen nach Begleichung aller Haushaltsrechnungen mehr als ein Fünftel ihres Gehalts verbleibt – vier Prozentpunkte mehr als im europäischen Durchschnitt. Sieben von zehn Befragten oder 71 Prozent sagten, dass ihre Beschäftigungssituation während der Pandemie gleich geblieben sei. 60 Prozent äußerten, ihre finanzielle Situation sei im Großen und Ganzen die gleiche wie vor der Pandemie, verglichen mit 53 Prozent im europäischen Durchschnitt.
21 Prozent der europäischen Verbraucher glauben, dass Covid-19 noch mindestens 12 Monate lang einen negativen Einfluss auf ihre Finanzen haben wird. In Deutschland gaben diese Einschätzung 18 Prozent der Befragten ab. 22 Prozent sagen voraus, dass es mehr als zwei Jahre dauern wird, bis sich ihr finanzielles Wohlbefinden wieder normalisiert hat; in Deutschland sind es 18 Prozent.
Soziale Spaltung größer
Die soziale Spaltung in Deutschland hat sich jedoch mit Corona weiter vertieft: Obwohl die Mehrheit keine direkten Auswirkungen auf ihre Beschäftigungssituation hatte, sagen fast vier von zehn (37 %) Europäer in ganz Europa, dass sie heute finanziell schlechter dastehen als vor Beginn der Krise. In Deutschland geben 31 Prozent das gleiche an. Vor allem Personen in einkommensschwachen Haushalten sind am stärksten betroffen, wodurch die wirtschaftliche Ungleichheit in der Gesellschaft zunimmt.
Infolge des Rückgangs des verfügbaren Einkommens, aufgrund der anhaltenden Pandemie, nehmen einige Europäer im Jahr 2021 zusätzliche Schulden auf. 27 Prozent der deutschen Befragten geben an, dass sie in den letzten sechs Monaten Geld geliehen oder ihr Kreditkartenlimit erreicht haben, um Rechnungen zu bezahlen. Im Jahr 2020 gaben das lediglich 20 Prozent an.
Die Sparquote in ganz Europa hat während der Pandemie zugenommen, was vor allem auf Verbraucher mit hohem Einkommen zurückzuführen ist. Diese haben ihren Arbeitsplatz behalten, hatten aber weniger Möglichkeiten, Geld für Freizeitaktivitäten wie Restaurantbesuche und Reisen auszugeben. Haushalte mit niedrigem Einkommen waren eher von Arbeitsplatzunsicherheit und finanzieller Not betroffen, was sich in ihrem Sparverhalten widerspiegelt. Die letztgenannte Gruppe ist daher von dem jüngsten Inflationsschub stärker betroffen.
„Die Pandemie hat einige Verbrauchergruppen schlechter gestellt, und einige haben zusätzliche Schulden aufgenommen, um über die Runden zu kommen“, sagt Marc Knothe. Die Zukunft wird sich nach Knothes Einschätzung herausfordernd gestalten: „Die Umfrage zeigt, dass viele den Überblick darüber verloren haben, wie viel sie insgesamt schulden. Aus diesem Grund und wegen der steigenden Inflation erwarten wir mehr Zahlungsprobleme. Die Unternehmen werden ihre Strategien für das Kreditmanagement überprüfen müssen, um die künftigen Herausforderungen zu meistern und Kreditverluste zu verringern“, so Knothes Einschätzung.
Interesse an nachhaltiger Lebensweise gestiegen
Das Interesse an einer nachhaltigeren Lebensweise ist in Deutschland gestiegen. Dennoch sind die europäischen Nachbarn in der Umsetzung oft weiter als die Deutschen. So geben in Deutschland 57% an, alte Dinge zu reparieren oder zu recyceln anstatt neue zu kaufen, im europäischen Durchschnitt sind es 65%.
Je jünger die Befragten, desto politischer kann ihr wirtschaftliches Handeln sein: Im europäischen Durchschnitt sagen drei von zehn Befragten, dass sie keine Probleme damit hätten, Rechnungen eines Unternehmens, das sie für unethisch halten, verspätet zu bezahlen. In der Altersgruppe der 18-21-jährigen Deutschen sagt das fast die Hälfte, im europäischen Durchschnitt nur 42%. Im fortgeschrittenen Alter dreht sich das Verhältnis zu Gunsten des europäischen Durchschnitts um.
Informationen zur finanziellen Bildung stärker gefragt
Viele Befragte haben die Corona-Krise genutzt, um ihr Finanzwissen zu verbessern.
So sehen viele (27% in Deutschland und Europa) die Pandemie als eine perfekte Gelegenheit, ihre Finanzen zu verbessern und eine stabilere Zukunft für sich und ihre Familien aufzubauen. Auch die Sorge, dass Covid nicht die letzte Krise dieser Art sein wird, treibt viele um: 53% der befragten Deutschen und 59% im europäischen Durchschnitt sagten, sie wollten sicherstellen, auf die nächste Krise finanziell besser vorbereitet zu sein.
Etwa 82% der europäischen Verbraucher geben an, dass sie über ein ausreichendes oder ausgezeichnetes Finanzwissen verfügen. In Deutschland liegt der Wert sogar bei 87%. Ein Viertel (25%) der deutschen Befragten geben allerdings an, dass sie nicht wissen, wie sich Negativzinsen auf ihr finanzielles Wohlergehen auswirken könnten, zum Beispiel auf ihre Fähigkeit, Rechnungen zu bezahlen oder Geld zu sparen. Der europäische Durchschnitt liegt bei 27 Prozent.
Über den European Consumer Payment Report 2021
Der European Consumer Payment Report ist ein Instrument, um einen Einblick in den Alltag der europäischen Verbraucher, ihre Ausgaben und ihre Fähigkeit, ihre Haushaltsfinanzen auf monatlicher Basis zu verwalten, zu gewinnen. Der Bericht basiert auf einer externen Umfrage und Forschung, die von Longitude in 24 europäischen Ländern durchgeführt wurde. An der Ausgabe 2020 der Umfrage nahmen insgesamt 24.012 Verbraucher teil. Die Feldarbeit für die Studie wurde zwischen dem 21. Juli und dem 26. August 2021 durchgeführt.